16. Januar 2025

Von Leuchttürmen und Mangroven

Passt man einmal nicht auf und - zack - sind einfach wieder fünf Tage ins Land (auf die Insel) gezogen und niemand hat aufgeschrieben, welche weltbewegenden Dinge sich ereigneten. Setzt man sich dann, so wie jetzt, hin und will es angehen, weiß man natürlich geradezu nichts mehr von den süffisanten Details, die es sich aufzuschreiben gelohnt hätte. So müssen es wohl jeweils kurze Abrisse der Hauptattraktionen der letzten fünf Tage werden, machste nix!

Wer leuchtet so spät in Nacht und Wind?

Es ist der Phare de la Caravelle, ein Leuchtturm auf der westlich gelegenen Halbinsel Caravelle. Diese Halbinsel ist ein Naturschutzgebiet mitsamt einiger Wanderwege. Man kommt mit dem Auto auf einer Schotterpiste etwa bis zur Mitte der Halbinsel und hat dann die Auswahl zwischen mehreren Wegen. Einer davon führt zum Château Dubuc, einer ehemaligen Zucker- und Kolonialwarensiedlung und anschließend durch Mangrovenwälder zu einigen Naturstränden, ein anderer führt zu besagtem Leuchtturm. Zunächst gönnten wir uns letzteren, etwa zwei Kilometer durch leidlich schattigen Wald. Der Anstieg ist bis auf das kurze Endstück moderat, der Weg breit und unspektakulär. Einige Geocaches konnten wir auch einsammeln. Hier ein kleiner Einschub bzgl. der Caches auf der Insel: bisher leider der uninspirierendste Ferienort an dem wir sind, was die Caches anbelangt. Alle, die wir bislang eingesammelt haben waren eher lieblos in den Wald geworfene Dosen. Die Logbücher waren bei den meisten nass und/oder völlig zerfleddert, die Verstecke meistens nur “hinter einem Baum”. Tatsächlich ist das auch der häufigste Spoiler “am Fuße eines Baums”, was einmal die unspannenden Verstecke unterstreicht, aber in Wäldern natürlich auch nur so mäßig hilfreich ist. Hätten wir versucht, wie in anderen Urlauben, uns auf gute Caches zu verlassen, um die schönsten Ecken der Insel abseits von Touristenpfaden zu finden: wir wären verlassen gewesen. So ist es nun eher andersherum: wir sammeln die Tipps von Gastgeber und üblichen Internetangeboten ein, und wenn es der Zufall will, finden wir dort dann einen der uninspirierenden Caches. Schade eigentlich, war es doch sonst eigentlich immer eine sichere Kiste mit den Caches.

Der Phare de la Caravelle vor dem Meer

Am Leuchtturm hat man dann tatsächlich einen wunderschönen Rundumblick weit über die Halbinsel Caravelle hinaus. Der kurze Aufstieg wird definitiv belohnt, der Leuchtturm selbst ein schmuckes Fotomotiv. Die Tafeln informierten uns dann noch darüber, dass das französische Wort phare vom altehrwürdigen Leuchtturm von Pharos abstammt. Außerdem war ebendieser tatsächlich 100 m hoch, eine beeindruckende Leistung, kein Wunder, dass das gute Stück ein Weltwunder war. Seit irgendwann in den 70ern wohnt hier im Phare de la Caravelle kein Leuchtturmwärter mehr, der Leuchtturm leuchtet immer noch den Schiffen auf See und ist der erste Punkt, den man von Westen kommend von der Insel erblickt. Außerdem gibt es eine seismografische Station, die der Tsunami-Früherkennung dient und früher ein Ausschau-Posten in der Hurricane-Saison war. Aber auch das fällt mittlerweile aus, Satellitenbilder warnen früher und zuverlässiger vor heranziehenden Unwettern. Technischer Fortschritt diesdas. Der Rückweg war unspektakulär, aber wie der Hinweg schweißtreibend. Das Auto verriet uns, dass es in der Sonne 37 °C warm ist, kein Wunder, dass es sich anfühlte als Laufe man im Ofen. Der Tag klang, soweit ich mich erinnern kann, ähnlich unspektakulär am Pool aus. Vermutlich hatte Nimue auch irgendeine Trotzattacke, aber da die sich ohnehin aneinanderreihen, kann ich dazu jetzt auch schon nichts mehr berichten.

Da brat’ mir doch einer ’nen Flamingo

Der sonntägliche Ausflug war ganz für die Kinder gedacht: ab in den Zoo de Martinique stand auf dem Reiseplan. Tier gucken geht immer, so die Idee, und nachdem wir die letzten Tage in der größten Hitze “nur gewandert waren”, dachten wir das wäre eine nette “Wiedergutmachung”. Also ab die Autobahn wieder Richtung Norden bis St. Pierre und dort in den Zoo. Um es vorwegzunehmen: Nimue war leider unerträglich und der ganze Zoobesuch war dadurch hauptsächlich einmal anstrengend. Aber ey, auf der anderen Seite: was war es bitte für ein geiler Zoo? Kann mich nicht erinnern, schon einmal von einem Zoo so begeistert gewesen zu sein. Tatsächlich jetzt weniger wegen der Tiere, das waren jetzt nicht so viele und auch nichts unendlich Besonderes darunter, aber wie heftig schön war die Anlage bitte? Der Zoo verläuft in einem kleinen Tal entlang eines Flusslaufs durch die Ruinen einer ehemaligen Kolonialwarenproduktion, die auch nach dem Ausbruch des Vulkans 1902 aufgegeben wurde. Angelegt wie ein kleiner tropischer Garten gibt es neben den Tieren also eine wunderschöne Flora zu begutachten, durchbrochen von überwucherten Industrieruinen, die einst der Herstellung von Zucker, Indigo und dem ganzen anderen Kladderadatsch dienten, dem die Europäer habhaft werden wollten.

Eine Reptilie, weiß nicht welche

Ja, gab halt auch Tiere: Schildkröten, mehrere Affenarten, Reptilien in groß und klein, Flamingos, Schmetterlinge und als größte Attraktionen Puma und Jaguar. Aber wie ich schon schrieb: geflasht war ich hauptsächlich von der schönen Anlage und auch der Wegführung mit Hängebrücken über den Fluss. Tatsächlich haben wir am Zooausgang auch das erste Restaurant gesehen, das wir halbwegs einladend fanden (und das auch sehr gut besucht war). Leider waren wir da von Nimues Genörgel und Gezeter schon so sturmreif geschossen, dass wir eigentlich nur noch ins Auto wollten um sie am Pool halbwegs ruhigzustellen.

Also doch wieder Wasserfall

Nachdem der Vortag uns also nur die Lektion beschert hatte, dass auch gezielt die Events, die wir eigentlich der Kinder wegen unternehmen, nur zu Gemecker führen, dachten wir uns direkt: “OK, fuck that. Dann machen wir halt einfach doch den Scheiß, auf den wir Bock haben. Angemotzt werden wir so oder so.” Und das hieß: zappzerapp, ab zum nächsten Wasserfall wandern. Auf der Liste stand diesmal der Wasserfall Anba So, nur ein kleines Stück nördlich von Fort de France. Das dazugehörige Dorf, in dem wir abbiegen mussten, um zum Wanderstart zu gelangen, ist das beschauliche Fond Lahaye, passend benannt nach dem Fluss Lahaye, der sich am Oberlauf also so prächtig in die Tiefe stürzte. Vom Parkplatz aus ist die Wanderung mit nur etwas mehr als einem Kilometer recht kurz, und auch der Anstieg ist zu bewältigen. Lediglich das regnerische Wetter und der unebene Untergrund machten ein kleines Abenteuer aus der Wanderung. Um auch wieder einmal etwas Positives über unsere Kids zu erzählen: trotz des, was die Trittsicherheit des geneigten Wanderers angeht, anspruchsvollen Weges wanderte Wandermaus Nimue “ohne zu Murren” den gesamten Weg bis zum Wasserfall. Gut, einige Marschlieder waren vonnöten, aber es lief. Diesmal waren wir sogar (weitgehend) allein. Lediglich ein Solowanderer und eine Gruppe kreuzten unseren Weg. So konnten wir völlig ungestört am Wasserfall fotografieren, baden und picknicken.

Wasserfall Anba So

Lobende Erwähnung sollten hier auch die Wanderstöcke finden: sie kamen aufgrund des unebenen Weges zum Einsatz und haben sich sehr gelohnt. Es war rutschig und es gab hohe Tritte zu bewältigen. Wohl dem, der einen Wanderstock mitführt und wir taten es. Knie, Knochen und Beine dankten es uns. Hinterher, man ahnt es kaum, ging es noch ab in den Pool.

Genug Pool jetze mal

Dachten wir uns auch und planten einen Strandtag. Dieser begann mit Regen, weithin bewölktem Himmel und miesen 25 °C. Allerdings sagte mir mein wetterfühliger kleiner Zeh: “Moment, Kossa”, sagte er, “Moment! Alle Tage in den vergangenen gut zwei Wochen, die so begannen, waren dann trotzdem sonnig und warm. Wir sollten es wagen.” Was das Wetter angeht, hat der wetterfühlige kleine Zeh immer recht und so steuerten wir den Pointe Marin kurz hinter dem Örtchen Le Marin an. Laut unserem Gastgeber soll es dort flach und wenig wellig sein. Die eigene Erfahrung sagt: zusätzlich schillert das Meer dort in unglaublich lebendigen Farben. Der Pointe Marin liegt an einer Meerenge, die Bucht ist der Goto-Spot für die Segelyachten aller Herren Länder, eine ganze Armada ankerte vor uns im türkisblauen Wasser. Demenetsprechend hat sich das Örtchen Le Marin auch als scheinbar unverzichtbarer Spot zum Verproviantieren der Yachten, für Bootsbauer mit Werften und Shoppingmeile für die absurdesten Wünsche etabliert. Wenn ich auf Martinique ausgefallene Sachen suchen müsste, ich würde sie in Le Marin vermuten.

Pointe Marin

Insgesamt war und blieb es warm und sonnig, die Kinder waren im Wasser (leider immer noch nicht davon zu überzeugen auch mal einfach ohne Erwachsenen zu gehen, aber gut, für Nael wäre das vielleicht auch ein bisschen viel verlangt) und wir bekamen das Sandspielzeug einer abreisenden französischen Familie vermacht. Neben dem wunderbar warmen Wasser blieb vom Tag vor allem eine noch mehr angefachte Sehnsucht nach der eigenen Segelyacht zurück. Am Abend verlor ich mich dann natürlich in Segelblogs und bei der Suche nach einem passenden Boot. Ich hatte zwischenzeitlich den Eindruck die Gebrauchtpreise der Boote haben sich gegenüber meinen letzten Recherchen wieder ein bisschen verbessert, oder man hat sich halt dran gewöhnt, weil alles so absurd teuer ist mittlerweile. Who knows, aber insgesamt juckt es uns schon in den Fingern am besten morgen alles hinzuschmeißen und loszusegeln.

Der geneigte Leser merkt jetzt an “Halt! Stopp! Das waren nur vier Tage”. Aber mir ist selbst gerade aufgefallen, dass ich die Bilder des heutigen Tages noch gar nicht entwickelt habe. Daher muss wohl auch der Bericht warten. Spoiler: wir waren wieder auf La Caravelle und schauten uns den Leuchtturm diesmal aus der Ferne an.