Plages et un Cascade
Eineinhalb Wochen sind wir nun im Überwinterungsquartier und haben genug gesehen, dass ich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestätigen kann: Martinique ist eine Insel. Egal in welche Richtung es uns verschlägt, immerzu endet man an einem Strand am Meer. Mal auf weißem Sand, mal auf schwarzem Sand, aber immer im Sand. Es wellt und wogt von Meeresseite her und mindestens ein Kind hat große Freude an den Strandabenteuern.
Allgemeins zur Insel
Zunächst ein Zwischenfazit zur Insel: das Baguette ist so gut, wie man es von einem französischen Departement erwarten kann. Es ist sehr grün, tropisch und karibisch: Palmen, Zuckerrohr, ohrenbetäubendes Grillenzirpen des Nachts. Das Meer und die Luft sind warm, beide liegen üblicherweise so um die 28°-30° C am Tag. Wenn man ein bisschen in Bewegung kommt, läuft die Suppe grotesk den Körper hinab. Das deutet auf eine gewisse Luftfeuchtigkeit hin. Die Strände sind schön, immer gibt es ein schattiges Plätzchen zu ergattern. Mal teilt man es sich mit mehr, mal mit weniger anderen Menschen (heute lernten wir: wenn ein Kreuzfahrtschiff anlegt, teilt man sich die bekannteren Strände mit bedeutend mehr Menschen). Trotzdem die Insel nicht so groß ist, kann man aufgrund der Berge zu den entlegeneren Orten trotz unserer zentral gelegenen Unterkunft auch mal 2 Stunden Fahrt einplanen.
Fahrt ist das Stichwort: Martinique ist leider äußerst autozentriert, und wie viele autozentrierte Orte leidet die Insel darunter sehr. Mal abgesehen davon, dass die Einwohner hier für die kurvigen und engen Straßen äußerst verrückt fahren (und die Motorradfahrer nochmal mehr einen ausgeprägten Todeswunsch haben), gibt es keinen Platz für Fußgänger. Auch nicht in den Städten oder Dörfern: Bürgersteige Fehlanzeige. Gepaart mit den verrückten Autofahrern ist es sehr schade, dass man dadurch (insbesondere mit den Kindern) keinerlei Verlangen danach spürt, mal ein Dorf oder eine Stadt aus nächster Nähe zu betrachten. Das schränkt die verfügbaren Aktivitäten etwas ein: entweder ist man am Strand, oder versucht sich an einer Wanderung in der wunderschönen Natur des Eilands. Die Wanderungen sind dann aber nicht ohne, da es an Bergen (und Hitze) nicht mangelt.
Weniger mit Martinique als vielmehr mit unserem anhaltenden Struggle “Urlaub mit Kleinkindern” hat zu tun, dass es wieder einmal sehr anstrengend scheint, den Kindern gerecht zu werden. Wenn man nur einmal morgens etwas gemütlicher in den Tag starten will, endet die Entspanntheit schnell in Genöle durch Unterbeschäftigung. Dass wir uns nach wie vor so schwertun uns daran zu gewöhnen, zeigt vor allem eins: man macht deutlich zu wenig Urlaub, sonst fänden wir das schon normal und hätten einen entspannteren Umgang damit gefunden, so wie wir im Alltag mit Kindern mittlerweile einen deutlich entspannteren Umgang haben.
Der Reihe nach
Nach unserer Wanderung durch den Wald von Montravail hatten wir uns einen Pausentag redlich verdient. Passenderweise hatte unser Gastgeber an diesem Tag viel Besuch, da seine Tochter getauft wurde. Wir bekamen dann Suppe, Snacks und Reis mit Lamm und Linsen serviert. Wir pausierten, die Kinder drehten ob der Pause durch. Mäpsch! Action musste her, und die folgte am Montag auf den Fuß (metaphorisch und wirklich): Auserkoren als Ausflugsziel war der Forêt Petite Versailles bei Crève-Coeur. Dort sollte es alte Zuckerrohrplantagenruinen geben und eine kleine Wanderung mit Ausblick (und natürlich einen Geocache). Vor Ort klärte uns ein Schild darüber auf, dass wir auf einem der ältesten Vulkane der Insel spazierten, der quasi ursprünglich für das Entstehen ebendieser Insel verantwortlich war. Wir lernten, dass Vulkane Berge sind, denn auf Geröll und über Wurzeln ging es zum Gipfel. Die Wanderung war theoretisch mit unter 2 km ein Kinderspiel, aber bei den Temperaturen und der Sonne spielten die Kinder (Ehre wem Ehre gebührt: das Kind) das Kinderspiel nur leidlich mit. Aber mit viel Motivationsspielen blieb es uns zumindest erspart Nimue den Berg hochzutragen, stolz kann ich berichten: sie ist den Berg ganz alleine heldenhaft erklommen. Tatsächlich lohnte der Ausblick ungemein: vom Gipfel konnte man geradzu den gesamten Süden von Martinique überblicken. Wir schauten auf Flotten von Segelyachten in den glitzernden Buchten, auf einen Gleitschirmflieger und viele grüne Berge rings um uns. Selfie, clickclick und dann wurden beide Kinder den Berg hinabgetragen. Den Geocache sammelten wir schon beim Aufstieg ein und nach einem kurzen Picknick waren unsere müden Knochen bereits wieder auf dem Rückweg. Verdächtig kam mir bei der Abfahrt der offene Tankdeckel vor: am nächsten Tag blinkte dann auch unverhofft die Reserveanzeige, obwohl wir eigentlich noch Sprit hätten haben sollen. Ich glaube, uns wurde am Vulkan Benzin geklaut. Ach ja: die Ruinen waren nicht der Rede wert, der m.E.n. interessantere Teil der Ruinen war ohnehin hinter einem Zaun abgeschottet.
Der Dienstag diente dann der Regeneration der geschundenen Knochen: mal wieder ab an den Strand. Die Auswahl ist groß, die Wahl fiel auf den von unserer Unterkunft aus nächstbesten. Unser Gastgeber empfahl ihn auch aufgrund der relativ kurzen Fahrtzeit. Witzigerweise haben wir ihn nicht auf Anhieb gefunden und kürzten dann quasi eine Bucht ab, aber der Strand war sehr gut geeignet: es gab durch viele Bäume beinahe direkt am Wasser viele schattige Plätze zur Auswahl. Da wir keine Vorräte für ein Snackpaket mehr hatten musste ich mittags dann eine Bucht weiterlaufen, zu dem dort verzeichneten Supermarkt. Dabei bekam ich auch den ursprünglich angedachten Strand zu Gesicht und war ob unserer unfreiwilligen Wahl sehr zufrieden: der eigentlich angepeilte Strand sah eher aus wie eine Touri-Falle und viel Schatten gab es dort auch nicht. Was soll man sonst zu so einem Strandtag sagen: Spiele im Wasser, Spiele im Sand, anschließend ein vom Sand wundgescheuerter Körper, aber glückliche Kinder im Schlepptau.
Wasserfall, Regenwald und Abenteuer
Das erste echte Abenteuer des Urlaubs erwartete uns am Mittwoch. Wir sind in den wilden Norden von Martinique aufgebrochen. Wikipedia lehrte uns, dass die hauptsächliche Besiedlung im trockeneren und “flacheren” Süden liegt, der Norden ist geprägt von dem massiven Vulkan Mont Pelée. Dort ist es steil, dadurch (und durch den großen Ausbruch von 1902) spärlich besiedelt und die große Gebirsflanke fängt den meisten Regen ein. Also genau unsere Hood. Geringe Besiedlung resultiert allerdings meistens auch in schlechten Straßen, dadurch standen uns 1,5 Stunden Fahrt für die knapp 50 km bevor. Die Straße schlängelte sich also die Westküste entlang gen Norden. Kurz hinter Fort de France hatte man tatsächlich den Eindruck irgendwie im wilden Westen gelandet zu sein: die spärlichen Dörfer klebten eingequetscht zwischen dem Meer und den steilen Berghängen. Auf etwa halbem Wege kommt man durch die 1902 (Vulkanausbruch) vollständig zerstörte ehemalige Hauptstadt Saint Pierre. Beim Durchfahren hatte man irgendwie das Gefühl, dass die Stadt nicht ernsthaft wieder aufgebaut wurde und außerdem den Vibe einer Zombieapokalypse. Da die Straße aber aufgrund des wenigen Platzes als Einbahnstraße durch den hinteren Teil der Stadt läuft, kam der Eindruck vielleicht auch daher. Auf dem Rückweg fährt man die andere Einbahnstraße an der Waterkant entlang, dort wirkte es gleich aufgeräumter. Trotzdem würde mir das Wort schön nicht über die Lippen springen.
Je weiter man nach Norden kommt, desto wilder wird die Straße, desto abgefuckter werden die Dörfer. Am Schluss fährt man eine holperige Piste, die hauptsächlich aus Kurven besteht, durch den Regenwald. Die Fahrt endet auf einem Parkplatz, auf dem sich in bester Martinique Manier, trotz der gefühlten Entlegenheit, natürlich die Autos schon mehrstöckig stapeln. Zumindest die Fahrt dorthin fühlte sich aber einfach danach an, als ob das das Ende von Frankreich ist. Kurz dachten wir hier in der Karibik hätten wir es entdeckt. Hauptattraktionen zur Belohnung sind ein Wasserfall und einer der schwarzen Strände, deren Sand nicht aus Geröll und Muschelschalen besteht, sondern aus Vulkanasche. Theoretisch gibt es dann noch den wahren Abenteuertrail, der 15 km durch den Regenwald und die Küste entlang zum nächsten Dorf führt, das aber mit dem Auto nur von der anderen Seite angefahren werden kann. Auf diesem Weg gibt es auch den ein oder anderen schwarzen Strand, den man dann vmtl. tatsächlich für sich alleine hat. Aber für diese Art von Wanderung müssen dann wohl noch ein paar Jahre ins Land gehen, auf dass die Kids irgendwann Bock auf so etwas haben.
So blieb uns also zunächst der Aufstieg zum Cascade de la rivière Couleuvre. Mit seinen 1,6 km wieder ein theoretisch kurzer Weg. Nach einem überraschend leichtem Einstieg mit einem breiten und nur sanft ansteigendem Weg, ging es dann nach ca. einem Drittel richtig abenteuerlich los. Es folgten Flußüberquerungen, hohe Steine, Wurzeln, riesige Bäume und sattes Grün wohin das Auge blickt. Steile Abhänge und matschige Tritte rundeten das Paket ab. Nimue war von dem Lob ob ihrer letzten Wanderleistung auf den Vulkan offensichtlich angefixt und wollte den Weg alleine gehen. Irgendwann kehrten sich die Rollen dann aber ins Gegenteil: da sie zusehend unsicherer wurde, flehten wir sie irgendwann an, sie möge sich doch bitte tragen lassen. Zunächst wehrte sie sich vehement, aber irgendwann sah sie es zum Glück ein. Aber ich war sehr erstaunt, wie krass souverän sie dreiviertel der Strecke bergauf und einen Weg, der mich ordentlich ins Schwitzen brachte, einfach mal wegwanderte! Neben der Belohnung des tatsächlich auch schon wunderschönen Weges erwartete den geneigten Wanderer ein tatsächlich unglaublich wundervoller und hoher Wasserfall. Natürlich habe ich Schlaumeier die Graufilter und das Weitwinkel in der Ferienwohnung gelassen. Wäre ja auch zu schön gewesen mal die richtige Ausrüstung dabei zu haben um dieses Wunderwerk der Natur fotografisch auch gebührend in Szene zu setzen.
Viele Fotos und eine Versnackung später wagten wir uns an den Abstieg. Nach so etwa 3,5 Stunden war das Werk vollbracht und entlang von diesmal etwas sehenswerteren Zuckerrohranbauruinen (mit den alten Maschinen) und eine weitere Flussüberquerung später konnten wir unsere erneut geschundenen Körper ins Meer werfen. Am Plage de l’Anse Couleuvre gab es zum einen schwarzen Sand, zum anderen sehr hohe Wellen. Die machten Nael und Nimue ein wenig Angst, aber zumindest Nimue traute sich nach uns nach tiefer in die Wellen. Der Sand eignete sich auch hervorragend zum Buddeln und Förmchen stechen. Auch hier war dann der Ausblick sagenhaft, riesige Monsterkrabben gab es für die Naturkundler auch zu bestaunen.
Leider drängte dann die früh einsetzende Dunkelheit etwas, und wir mussten die Zelte Strandmatten abbrechen. Auf der Rückfahrt gönnten wir uns dann aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit die hohe französische Küche bei McDonalds. Zu später Stunde ritten wir schwer ermüdet in unserer Unterkunft ein, und es galt die übermüdeten Kids weit nach ihrer Bettzeit abzulegen.
Theoretisch Schildkröten, praktisch Verlust
Nach diesem nervenaufreibenden Tag im wilden Norden mussten wir am Donnerstag mit Muskelkater wieder kürzertreten. Am Plage de l’Anse Dufour wollten wir die Seele baumeln lassen. Wie bereits berichtet wollten aber auch die versammelten Seelen der AIDA Kreuzfahrtgäste ordentlich dort rumbaumeln. Also baumelten wir alle gemeinsam auf den spärlichen Schattenplätzen und schnorchelten nach Schildkröten. Also wir nicht, in Ermangelung eines Schnorchels. Aber die Schnorcheltraube, die den Schildkröten durch die Bucht folgte, war amüsant zu beobachten. Wilde Wellen klatschten wieder einmal an den Strand und einen unvorsichtigen Moment später schlug Nael mir Nimues Schwimmbrille aus der Hand. Der gierige Ozean packte zu und wenige Augenblicke später war die Schwimmbrille schon auf dem Weg in ihr Endlage im Great Pacific Garbage Patch. Gerade erst zu Weihnachten gewünscht, nie benutzt und schon Plastikmüll im Ozean, auf diese Karriere kann man geradezu neidisch sein. Nimue trug es mit erstaunlicher Gelassenheit, aber im Moment findet sie ihre richtige Taucherbrille ohnehin besser. Ich litt unter Kaffeeentzug, da wir leider beim letzten Einkauf nicht an Kaffee gedacht hatten und hatte zwischenzeitlich meinen Tiefpunkt. Als ich, nur kurz, mit Nimue noch einmal zum Wasser lassen im Wasser war, wurde ich von einer deutschen Touristin vollgeschnackt, die uns aus dem Flugzeug “kannte”. So wie sie mich vollschnackte, glaubte sie uns wirklich zu kennen. Ganz mutig fand sie uns, mit so kleinen Kindern eine solch weite Reise anzutreten. Blabla, sie hat ja auch Enkel (ihren Erzählungen nach findet sie die aber irgendwie kacke, zumindest wirkte sie nur so mäßig erfreut, dass sie die beiden älteren Enkelkinder dieses Jahr mal für beinahe eine Woche nehmen sollte. “Na ja, als Oma macht man das ja auch mal”). Irgendwann konnte ich mich zum Glück lösen und wir machten uns auf den Weg nach Hause, respektive zum Einkaufen.
Das kleine Fischerdorf dort am Strand war grundlegend mal ganz neckisch, und aufgrund der Unzugänglichkeit bestand der Ort auch nicht nur aus Autos. Wäre ich nicht so fertig und der Strand nicht so akut überlaufen gewesen, hätte es sich durchaus als schönes Fotomotiv angeboten. Hatte aufgrund der steil abfallenden Berge zur Bucht hin irgendwie den Charakter eines Crossovers aus griechisches Dorf mit kolonialer Architektur und Palmen.
Am Ferienhaus lud mich Ruddy unverhofft zu einer Gartentour ein. Es gab Ananas mit Zitronenschale, Zimt und Vanille (später dann noch mit Rum) - äußerst leckere Angelegenheit. Eine eher saure Frucht, deren Namen ich trotz dreimaligen Nachfragen nicht ganz verstanden habe. Frische Kokosnuss von der Palme. Zuckerrohr, zum darauf herumkauen, darf man sich in etwa wie Süßholz vorstellen. Noch nicht fertig waren seine Bananenstauden, insgesamt war es aber in etwa wie das Schlaraffenland, das wir in Französisch-Polynesien schon kennenlernen durften: einfach mal die geilsten Früchte ohne Saison und Anbaukalender immer pflück- und essbereit im Garten ist schon ’ne feine Sache.
Da wir endlich beim Einkaufen mal an Mückenspiralen gedacht hatten, sitze ich nun auf der Terrasse und schreibe diese Zeilen, auf dass Archäologen sie in 10.000 Jahren finden und sich fragen, was genau eine Ananas ist.