Un Departement d'outre Mer
Winterzeit ist Winterdepressionszeit. Die Zeit also, die man am besten damit verbringt, sich möglichst wenig dem Winter auszusetzen. Dieses Jahr waren wir relativ früh dran uns unsere Flucht genauestens zu überlegen. Nachdem Thailand (trotz Kindern) ein voller Erfolg war, entschieden wir uns dazu einfach wieder dorthin zu fliehen. “Mais non”, la vie nous a dit.
Süßer die Kassen nie klingeln
Teuer! Das war das Fazit der Flugsuche. Wir wollten direkt nach Weihnachten in die Sonne. Den Kindern wollen wir ja den Weihnachtszauber, das Christkind und die Familie nicht vorenthalten. Und, turns out, das machen viele Menschen so. Diese vielen Menschen wollen auch nach Thailand scheint’s: die günstigsten Flüge rund um diesen Zeitraum sollten für die gesamte Familie mit knapp 5.500 € zu Buche schlagen. Das war dann zu viel für unser immer noch defizitäres Haushaltssystem. Eine Alternativlösung musste her. Snobs die wir sind, wollten wir natürlich nicht ans Mittelmeer: zu kalt die Wassertemperaturen im Winter um die Kinder einfach im Meer zu parken und sich ein schönes Leben zu machen. Wie genau die Alternativlösung zustande kam, kann ich nicht mehr rekonstruieren, aber zu Hilfe kamen unsere geliebten westlichen Nachbarn: Flüge nach Martinique waren für schlappe 2.000 € zu bekommen. Karibik, nous venons.
Der Weg ist das Ziel der nervigste Teil der Reise
Natürlich war dieser Schnapper mit einigem zusätzlichen Aufwand verbunden, wie es immer so ist: wir mussten irgendwie nach (und später dann von) Paris, es fliegt ja niemand von einem preußischen Flughafen zu den Kolonien des Erbfeinds. Da wir ja mittlerweile irgendwo in der hessischen Provinz wohnen ein gar nicht so leichtes Unterfangen. Außerdem verwirren natürlich bei solchen kolossalen Interkontinentalreisen die Zeitzonen und Flugzeiten und der ganze Schnack. Ich buchte also Züge und Unterkunft für einen Zwischenstopp in Paris, nur um zwei Tage nach der Buchung festzustellen, dass ich die Rückfahrt einen Tag zu spät gebucht hatte. Supersparmegasparultrasparpreis bei der Bahn heißt keine Stornierung und kein Umtausch möglich :/. Falls also jemand am 19.01. von Paris nach Frankfurt/Wiesbaden muss: hab da ’ne Familienfreifahrt zu verschenken.
Da wir ja kurz vor Silvester in Paris aufschlugen, waren da die Unterkünfte auch unfassbar verrückt teuer. Bei Fehlbuchungen, Mietwagenbuchung, Hotelbuchung in Paris und dem sonstigen generellen Preisniveau in Martinique, waren wir uns zwischenzeitlich nicht mehr so schlüssig, ob wir tatsächlich den günstigeren Urlaubsort auserkoren hatten. Then again, wir beide stehen ja eigentlich nicht so darauf ständig “das Gleiche” zu machen, und Thailand war ja nun auch tatsächlich erst wenige Monate her.
So begab es sich, dass uns nichts mehr in Wiesbaden hielt, nachdem das letzte Plätzchen verspeist war. Wie erwartet, aber nicht durch großzügige Planung abgefedert, begann die Reise mit Stress: der Bus war zu spät, gerade als er dann um die Ecke bog, verkündete Nimue, dass sie groß aufs Klo müsse. Mit Koffern, Rucksack, Handgepäck, Kraxe und Kindern dann rennen, um den Zug zu erwischen. Ab Frankfurt dann etwas Entspannung, der TGV stand schon lange vor Abfahrt bereit. Nimue völlig hyped seit Tagen ob der großen Reise. Nach 10 Minuten im Zug: “Wie lange ist es noch bis Paris?” Natürlich war der Zug dann wegen eines Ausfalls eines anderen Zuges völlig überbelegt, sodass Nael nicht auf seine Krabbeldosis des Tages kommen konnte, da sich die Passagiere im Gang stapelten.
Verwirrung dann am Gare de l’Est: die Pariser nennen ihre ÖPNV-Karte irrtümlicherweise “EasyPass”. Daran ist genau gar nichts easy. Auf den zwei Fahrten mit der Metro (einmal zum Hotel, am nächsten Tag zum Flughafen) haben wir, meine ich, nicht einmal den richtigen Tarif erwischt. Dafür standen wir lange vor irgendwelchen Fahrkartenautomaten. Immerhin das Pain au Chocolat am nächsten Morgen war vorzüglich, die Nacht allerdings babybedingt völlig für die Katz’. Vielversprechender Auftakt für 9 Stunden Tagflug mit Kindern.
Theoretisch hatten wir ewig Zeit bis zum Flug um 14:35. Ursprünglich inspirierte mich das zu der Idee ein Familienselfie vorm Eiffelturm anzuvisieren. Zum Glück sparten wir uns das, denn zwischen der oben erwähnten Fahrkartenverwirrung, Nimues Klassiker “Ich muss aufs Klo”, Täschis Weigerung 1,3 km zu laufen (was uns Metrofahrten gespart hätte) und anderen Pannen auf dem Weg, waren wir gar nicht viel zu früh am Flughafen. Hätte der Flug dann nicht sowieso 2 Stunden Verspätung gehabt, wir wären sehr knapp am Gate gewesen.
Dankenswerterweise war der Flug aber erstaunlich entspannt, obwohl Nael einen weiteren Tag quasi gar nicht zum Krabbeln kam. Zur Belohnung blies uns dann nach dem Öffnen der Flugzeugtüren die wunderbar warme karibische Abendluft entgegen. Müde wollten wir schnellstmöglich in die Unterkunft, aber das Mietautoshuttle kam nicht bei. Wir waren beinahe die Letzten, die abgeholt wurden, ärmer dran war nur ein junges schwedisches Pärchen, deren Autovermietung nicht einmal ans Telefon ging. Insofern hatten wir nur beinahe den schlechtesten Anbieter gewählt. Rudi, unser Gastgeber, begrüßte uns, zeigte uns die Wohnung und wir schliefen zu derbe lauten Schreien aus dem Urwald ein.
Martinique denkt, es wäre Norwegen
Der erste Tag begann mit Reggae-artigen Getrommel. Grund dafür waren aber die leeren Mägen der gesamten Reisegruppe. Das Flugzeugessen war, obwohl man den Versuch der Franzosen bewundern muss, ihrem kulinarischen Ruf gerecht zu werden, halt vor allem eines: Flugzeugessen. Zum Frühstück gab es nur noch ein paar traurige Trauben aus unserem Reiseproviant und ein halbes Croissant. Da wir durch den Minijetlag (und besagtem Hunger) früh wach waren, waren wir bereits um kurz nach sieben on the road etwas Essbares aufzutreiben. Nach einer kleinen Irrfahrt durch das Zentrum von Fort de France (Hauptstadt der Insel) kamen wir endlich bei einem gigantischen Shoppingtempel mit gigantischem Carrefour an. Da ganz Martinique sich auf Silvester und Neujahr vorbereitete, hatten wir großes Glück bereits so früh dort einzutreffen. Nach unserer zweistündigen Shoppingorgie stapelten sich die Autos auf dem Parkplatz und es ging weder vor noch zurück. Und, oh boy, was war es für eine Shoppingorgie. Erstens laden die gigantösen Einkaufswagen dazu ein mal so richtig vollzuladen. Außerdem saßen die zwei Tage ohne richtiges Essen tief in den Knochen (und Mägen). Es gab kein Halten. An der Kasse bekamen wir dafür allerdings die echte und metaphorische Quittung: 362 Euronen mussten wir in den Schlund des gierigen französischen Konzerns werfen. Für einen Einkauf, der uns gefühlt zwei Tage Energie schenken sollte. So einen Preisschock hatte ich sonst eigentlich nur in Norwegen. Aber ist ja Urlaub, und von hier nach Thailand kommen wäre nun auch kein guter Deal mehr. Und in Hindsight hat der Einkauf sogar fast vier Tage gereicht.
Nachdem wir den Stau des Parkplatzes hinter uns gelassen und zurück am Ferienhaus die Einkäufe verstaut hatten, ging es standesgemäß natürlich erst einmal in den Pool. Die zwei Hauptattraktionen eines Urlaubs im Warmen hatte Nimue damit schon am erste Tag erfolgreich abgehakt: Eis essen und in den Pool gehen. Nach der Abkühlung (der Pool ist wirklich verhältnismäßig kalt, es ist bislang ein Rätsel warum, bei Tagestemperaturen um die 30° C) fiel uns ein großer Fehler auf: es sollte Nudeln geben, aber wir hatten den Parmesan vergessen. Ein absolutes No-Go für eine kleine Feinschmeckerin. Also mussten wir kurz vor Ladenschluss noch einmal in den gigantischen Supermarkt unserer Wahl. Und da stapelten sich immer noch die Autos kreuz und quer. Parmesan ergattert, Abendessen gerettet. Mit erfolgreich gefüllten Bäuchen, vollen Vorratsschränken und leerem Portemonnaie ging der erste Tag zu Ende.
Voulez-vous vamos à la playa avec moi cette jour?
Unermüdlich rollt der gewaltige Atlantische Ozean unbeirrt mit seinen mächtigen Wellen gegen dieses Eiland vulkanischen Ursprungs. Über tausende, gar Millionen von Jahren folgte Welle auf Welle. Und sie folgt und wird folgen, auch wenn wir schon lange nicht mehr sind. Kein Tag, keine Nacht steht er still, greift mit seinem salzigen Nass nach der Erde und dem Gestein, auf welchem wir demütig wandeln. Er reibt Stein an Stein, bewegt bei Sturm ganze Felsblöcke und mahlt sie mit Engelsgeduld zu Kieselsteinen, beinahe Staub. Alles dafür, dass wir den scheiß Sand dann in unseren Schuhen und der Unterhose haben, er an unseren nassen Körpern klebt und wir das ganze dann trotzdem “Me-ga Strandtag” nennen können. Und den peilten wir an. Allerdings peilten den auch sehr viele andere Menschen an. Wieder einmal stapelten sich Autos, trotzdem wir darauf hofften, dass Neujahr möglichst viele Leute gekatert ans Bett fesselte. Offensichtlich waren sie aber entweder nicht verkatert oder wollten verkatert lieber am Strand sein. Allerdings lehrt uns die preußische Tugend: erst die Arbeit, dann das Vergnügen. So zogen wir zunächst aus, den ersten Geocache des Urlaubs zu finden. Wir kamen, sahen und fanden und durften endlich in den Sand und ins Wasser. Die Palmen wogen sich in der leichten Brise, spendeten herrlichen Schatten. Das Meer war türkis, blau, klar und angenehm warm. Nimue und Nael waren natürlich völlig angetan von den Wellen und der Abkühlung. Nimue musste wegen ihrer neuen Taucherbrille des öfteren daran erinnert werden, dass man zwischen den Tauchgängen auch noch einmal auftauchen muss. Nachdem wir genug vom unfreiwilligen Sandpeeling hatten, traten wir den Rückweg an. Nur um dann nach erfolgreicher Entsandung noch in den Pool zu müssen. Auf Pool folgten Nudeln mit Parmesan, Nimue feierte den Day of her Life.
Nachdem die Kids im Bett abgefertigt waren, kam unser Gastgeber Rudi (und ungeplant auch seine 2,5 Jahre alte Tochter, die wieder aus dem Bett aufgestanden war)auf einen (zwei, drei) traditionelle martiniqu’sche Fruchtliköre vorbei. Wir unterhielten uns in unserem wilden Mix aus wenig Englisch und wenig Französisch über das Laster des Elterndaseins, über Beruf und die besten geheimen Strände der Insel. Rudi ließ mindestens mich deutlich alkoholisierter zurück, als ich es jemals geplant hätte.
Auf den Spuren von Räuber Plotz de Hotz und die hängenden Gärten der Karibik
Der Nachbarshahn krähte und mit dem Schwung, für den wir landauf und -ab bekannt sind, sprangen wir aus den Federn und begrüßten den Tag wie üblich mit mindful Yoga…als ob. Der Hahn krähte und wir warfen den hungrigen Kindern ein paar trockene Brotkrumen hin. Heute wollten wir so richtig einen wegcachen. Ziel dafür war der Forêt Montravail, seines Zeichens ein (Regen-)Wald mit einigen Trails. Dort gab es insgesamt 12 Geocaches zu holen, leider mussten wir abkürzen und konnten nur 8 davon bergen. Die Wege waren sehr abenteuerlich, dadurch mussten wir Nimue oft in der Kraxe tragen und dementsprechend anstrengend war es. Aber der Wald war wunderschön grün und schattig, die riesigen Blätter der Tropenpflanzen ein ungewohnter Anblick. Den weltbekannten Räuber trafen wir aber nicht. Anschließend erkundeten wir direkt den nächsten Strand. Dort konnte wieder nach Herzenslust getaucht werden, Nael vergnügte sich in der “Brandung” und es gab sogar ein paar schwimmende Spielplattformen für Nimue. Abends gab es dann, who would’ve guessed: Nudeln mit Parmesan (es gibt auch immer richtig geile Soßen dazu, aber die finden keinen Anklang beim Nachwuchs).
Man möchte es nicht meinen, aber am darauffolgenden Samstag gab es keinen Strandausflug. Schockschwerenot. Nimue fand die Aussicht auch nicht so richtig gut und verhandelte hart, wenigstens in den Pool zu dürfen. Da wir aber unverhofft lange bei einem Spielplatz Halt machten, glaube ich, dass wir eine posttraumatische Belastungsstörung erfolgreich abgewendet haben. Auserkoren war der Jardin de Balata. Irgendein verrückter Mensch hat in den Bergen der Insel einen echt wunderschönen Tropengarten angelegt. Wir lustwandelten dort und erfreuten uns an den wildesten Blütenformen, wieder einmal den riesigen Blättern der Pflanzen und schillernden Kolibris. Die Stimmung wurde allerdings getrübt, als Täschi nach ewigem Anstehen herausfand, dass wir mit Nimue nicht auf den Baumwipfelpfad durften. Nimues Trübung konnte dann durch besagten Spielplatz wieder eingefangen werden, Täschi blieb (vor allem getriggert durch schlaflose Babynacht) grumpy, bis sie sich dann zurück an der Unterkunft kurz hinlegen konnte. In der Zeit löste ich das Poolversprechen ein und als Nimue beinahe erfroren war, gab es dann auch Abendessen. Geplant war eigentlich ein Kartoffeleintopf, aber die bereits weit fortgeschrittene Zeit führte zu Nudeln mit Parmesan Baguette mit Woscht und Schinken.